In der heutigen Geschäftswelt ist nachhaltiges Marketing nicht nur ein Trend, sondern eine Notwendigkeit. Unternehmen aller Größenordnungen, von Start-ups bis hin zu etablierten Mittelständlern, nutzen zunehmend umweltbezogene Aussagen, um ihre Produkte und Dienstleistungen zu bewerben. Angesichts des jüngsten Urteils des Bundesgerichtshofs (BGH-Urteil vom 27. Juni 2024 – I ZR 98/23) zur Werbung mit dem Begriff „klimaneutral“ wird jedoch deutlich, dass solche Werbeaussagen sorgfältig formuliert und transparent kommuniziert werden müssen, um rechtlichen und ethischen Anforderungen zu genügen.
Klare Erläuterung umweltbezogener Begriffe
Der BGH hat entschieden, dass die Verwendung mehrdeutiger umweltbezogener Begriffe in der Werbung nur dann zulässig ist, wenn diese Begriffe in der Werbung selbst klar und verständlich erklärt werden. Dies gilt insbesondere für Begriffe wie „klimaneutral“, die sowohl als Reduktion von CO2-Emissionen im Produktionsprozess als auch als Kompensation verstanden werden können. Unternehmen müssen sicherstellen, dass:
- Eindeutige Definitionen: Begriffe wie „klimaneutral“ oder „CO2-neutral“ eindeutig und präzise in der Werbung erklärt werden.
- Transparente Informationen: Die Art und Weise, wie die Klimaneutralität erreicht wird, klar kommuniziert wird, sei es durch tatsächliche Reduktion von Emissionen oder durch Kompensationsmaßnahmen.
Aufklärungsbedarf in der Werbung selbst
Das BGH-Urteil betont, dass aufklärende Hinweise außerhalb der eigentlichen Werbung nicht ausreichen. Unternehmen müssen daher sicherstellen, dass:
- Direkte Aufklärung: Die Erklärung umweltbezogener Begriffe direkt in der Werbung erfolgt und nicht auf externe Quellen oder Websites verwiesen wird.
- Klarheit und Verständlichkeit: Die Informationen so präsentiert werden, dass sie für die Zielgruppe leicht verständlich sind.
Vergleich von Reduktions- und Kompensationsmaßnahmen
Das Urteil hebt hervor, dass Reduktionsmaßnahmen und Kompensationsmaßnahmen keine gleichwertigen Maßnahmen zur Herstellung von Klimaneutralität darstellen. Unternehmen sollten daher:
- Priorisierung von Reduktionsmaßnahmen: In der Kommunikation klar machen, wenn CO2-Emissionen tatsächlich reduziert werden, und diese Maßnahmen hervorheben.
- Transparenz bei Kompensation: Wenn Klimaneutralität durch Kompensationsprojekte erreicht wird, sollten diese Projekte detailliert beschrieben und deren Effektivität klar dargestellt werden.
Rechtliche und ethische Verantwortung
Neben der Einhaltung rechtlicher Vorschriften liegt es auch in der ethischen Verantwortung der Unternehmen, Verbraucher nicht zu täuschen. Dies bedeutet:
- Wahrheitstreue Aussagen: Alle umweltbezogenen Werbeaussagen müssen der Wahrheit entsprechen und dürfen keine falschen Eindrücke erwecken.
- Vermeidung von Greenwashing: Unternehmen sollten vermeiden, sich durch übertriebene oder irreführende Umweltversprechen einen ungerechtfertigten Wettbewerbsvorteil zu verschaffen.
Praktische Tipps für Unternehmen
Um den Anforderungen gerecht zu werden, können Unternehmen folgende Schritte unternehmen:
- Überprüfung der Werbemaßnahmen: Bestehende und geplante Werbemaßnahmen auf ihre Klarheit und Transparenz hin überprüfen.
- Schulung von Marketingteams: Sicherstellen, dass Marketing- und Kommunikationsteams über die rechtlichen Anforderungen und die Bedeutung klarer und wahrheitsgemäßer Aussagen informiert sind.
- Zusammenarbeit mit Experten: Gegebenenfalls externe Experten oder rechtliche Berater hinzuziehen, um die Einhaltung der Vorschriften sicherzustellen.
Weitere relevante Urteile zu Greenwashing
OLG Celle: „Umweltfreundlich produziert – lösungsmittelfrei“ (Urteil vom 08.12.2016 – 13 U 72/16)
Das OLG Celle entschied, dass die Werbeaussage „umweltfreundlich produziert – lösungsmittelfrei“ nicht hinreichend konkretisiert ist. Verbraucher könnten dies missverstehen, dass die Umweltfreundlichkeit nicht nur auf die Lösungsmittelfreiheit beschränkt ist. Daher müsse klar gemacht werden, in welcher Hinsicht die umworbene Ware oder Leistung einen umweltbezogenen Vorzug aufweist.
OLG Koblenz: „Geprüfte Umweltverträglichkeit“ (10.08.2011)
Das OLG Koblenz entschied, dass die Angabe „geprüfte Umweltverträglichkeit“ irreführend ist, wenn nicht dargelegt wird, welche Merkmale genau geprüft wurden.
OLG Celle: „Umweltfreundlich produziert“ (08.12.2016)
Das OLG Celle stellte klar, dass der Begriff „umweltfreundlich produziert“ genauer erläutert werden muss, insbesondere wenn die Werbung auch die Eigenschaft „lösungsmittelfrei“ beinhaltet.
LG Stuttgart: „CO2-Reduktion bei Investments“ (31.01.2022)
Das LG Stuttgart entschied, dass die Werbung für eine Geldanlage mit einer angeblichen CO2-Reduktion von 3,5 Tonnen pro Jahr irreführend ist, wenn die Berechnungsgrundlagen nicht transparent dargelegt werden (Verbraucherzentrale Baden-Württemberg).
Unternehmen, die sich des Greenwashings schuldig machen, können mit einer Vielzahl von Strafen und rechtlichen Konsequenzen konfrontiert werden. Diese können sowohl zivil- als auch strafrechtlicher Natur sein und umfassen:
1. Unterlassungsansprüche und Abmahnungen
Unternehmen können von Wettbewerbern oder Verbraucherschutzorganisationen abgemahnt und zur Unterlassung der irreführenden Werbung aufgefordert werden. Dies kann auch die Verpflichtung zur Übernahme der Abmahnkosten umfassen.
- Beispiel: Im Fall des LG Stuttgart (Urteil vom 31.01.2022) wurde die Commerz Real AG dazu verurteilt, die irreführende Werbung zu unterlassen und die Kosten der Abmahnung zu tragen (Verbraucherzentrale Baden-Württemberg).
2. Geldstrafen und Ordnungsgelder
Gerichte können hohe Geldstrafen verhängen, um sicherzustellen, dass das Unternehmen seine irreführenden Praktiken einstellt. Diese Strafen können sich auf mehrere Hunderttausend Euro belaufen.
- Beispiel: Im Urteil des OLG Celle vom 08.12.2016 wurde der Beklagten ein Ordnungsgeld bis zu 250.000 € angedroht (InfoLink).
3. Schadensersatzforderungen
Unternehmen können verpflichtet werden, den durch die irreführende Werbung entstandenen Schaden zu ersetzen. Dies betrifft sowohl unmittelbare Schäden als auch entgangene Gewinne von Wettbewerbern.
- Beispiel: Wettbewerbszentrale und Verbraucherzentralen klagen häufig auf Schadensersatz im Falle von nachgewiesenen Umsatzverlusten durch irreführende Werbung.
4. Veröffentlichung von Urteilen
In einigen Fällen können Unternehmen dazu verpflichtet werden, das Urteil in bestimmten Medien zu veröffentlichen, um die Öffentlichkeit über die Täuschung aufzuklären.
- Beispiel: Gerichte können anordnen, dass das Urteil in Zeitungen oder auf der Unternehmenswebsite veröffentlicht wird.
5. Verbraucherrechtliche Sanktionen
Verbraucherschutzgesetze sehen vor, dass Verbraucher unter bestimmten Umständen das Recht haben, Kaufverträge rückgängig zu machen oder Schadenersatz zu fordern, wenn sie durch irreführende Werbung getäuscht wurden.
6. Reputationsschäden
Obwohl dies keine direkte rechtliche Konsequenz ist, kann die Bekanntgabe von Greenwashing-Praktiken erhebliche Reputationsschäden verursachen. Dies kann zu einem Vertrauensverlust bei Kunden und Geschäftspartnern führen, was langfristige finanzielle Einbußen zur Folge haben kann.
7. Strafrechtliche Konsequenzen
In extremen Fällen, insbesondere wenn betrügerische Absichten nachgewiesen werden, können auch strafrechtliche Konsequenzen drohen, die von Geldstrafen bis hin zu Freiheitsstrafen reichen können.
Gesetzliche Grundlage
Die rechtlichen Maßnahmen gegen Greenwashing basieren hauptsächlich auf dem Gesetz gegen den unlauteren Wettbewerb (UWG). Wichtige Paragraphen sind hier:
- § 5 UWG: Verbot irreführender geschäftlicher Handlungen.
- § 5a UWG: Verbot des Vorenthaltens wesentlicher Informationen.
- § 8 UWG: Beseitigungs- und Unterlassungsansprüche.
Unternehmen, die Greenwashing betreiben, laufen Gefahr, erheblichen rechtlichen und finanziellen Konsequenzen ausgesetzt zu werden.
!Klimaneutral?
Das BGH-Urteil zur Werbung mit dem Begriff „klimaneutral“ sowie andere relevante Entscheidungen verdeutlichen die Notwendigkeit klarer und transparenter Kommunikation in der Werbung. Unternehmen müssen sicherstellen, dass ihre umweltbezogenen Aussagen präzise, verständlich und wahrheitsgemäß sind. Durch die Priorisierung von Reduktionsmaßnahmen und eine transparente Darstellung von Kompensationsmaßnahmen können Unternehmen nicht nur rechtlichen Herausforderungen vorbeugen, sondern auch das Vertrauen und die Loyalität ihrer Kunden stärken.