Ethisches Handeln und soziale Verantwortung für Unternehmen? Viele Gründer*innen und kleine und mittelständische Unternehmen (KMU) streben danach, nicht nur finanziell erfolgreich zu sein, sondern auch aktiv zum Gemeinwohl beizutragen. Genau hier setzt die Zero-Tolerance-Richtlinie der Europäischen Union (EU) an: Sie zielt darauf ab, geschlechtsbasierte Gewalt am Arbeitsplatz konsequent zu verhindern und zu ahnden. Doch was bedeutet Zero-Tolerance im Detail, und warum ist es für KMUs, die gemeinwohlorientiert arbeiten, relevant?

Der Ursprung der Zero-Tolerance-Richtlinie

Die Zero-Tolerance-Richtlinie wurde von der Europäischen Kommission im Rahmen der EU-Gleichstellungsstrategie 2020–2025 entwickelt und ist Teil einer umfassenden Kampagne für mehr „Gender Equality“, also Geschlechtergerechtigkeit. Ziel ist es, geschlechtsbasierte Gewalt und Diskriminierung in allen Bereichen der Gesellschaft, insbesondere aber am Arbeitsplatz, zu bekämpfen. Dieser Ansatz geht davon aus, dass jede Form der geschlechtsbasierten Gewalt und Belästigung – seien es physische, psychologische, sexuelle oder auch ökonomische Angriffe – nicht nur individuell schädlich ist, sondern auch das Arbeitsumfeld und die Gesellschaft als Ganzes negativ beeinflusst.

Geschlechtsbasierte Gewalt verstehen: „Gender-Based Violence“ (GBV)

Unter geschlechtsbasierter Gewalt oder „Gender-Based Violence“ (GBV) versteht die EU jede Form von Gewalt, die gegen eine Person aufgrund ihres Geschlechts oder ihrer Geschlechtsidentität gerichtet ist. Das kann körperliche Gewalt, psychologische Einschüchterung oder ökonomische Benachteiligung umfassen. GBV tritt besonders häufig in hierarchischen Strukturen auf, wie man sie in akademischen Institutionen, aber auch in vielen Unternehmen findet. Studien wie das Horizon-2020-Projekt „UniSAFE“ zeigen, dass geschlechtsbasierte Gewalt in der EU ein verbreitetes Problem ist: Fast zwei Drittel der Befragten aus dem akademischen Bereich berichteten von eigenen Erfahrungen mit GBV. Ein alarmierender Aspekt ist, dass das Problem häufig aus Angst vor negativen Konsequenzen nicht gemeldet wird – ein Faktor, der durch eine Zero-Tolerance-Haltung aktiv angegangen werden soll.

Was bedeutet Zero-Tolerance konkret?

Die Zero-Tolerance-Richtlinie setzt auf drei zentrale Säulen: Verpflichtung, Handlung und Verantwortlichkeit.

  • Verpflichtung bedeutet, dass sich Unternehmen aktiv gegen geschlechtsbasierte Gewalt einsetzen und eine Kultur der Gleichheit und des Respekts fördern.
  • Handlung umfasst präventive Maßnahmen wie Schulungen und Sensibilisierungsmaßnahmen, die in den Unternehmensalltag integriert werden.
  • Verantwortlichkeit bedeutet, dass Unternehmen klare Meldewege und disziplinarische Verfahren einführen, um sicherzustellen, dass Vorfälle konsequent verfolgt und geahndet werden.

Diese Prinzipien machen Zero-Tolerance zu mehr als nur einem Regelwerk; sie fördern einen umfassenden Kulturwandel hin zu einem Arbeitsumfeld, das auf Respekt und Sicherheit basiert. Unternehmen, die sich zu einer Null-Toleranz-Haltung bekennen, senden damit ein starkes Signal: Geschlechtsbasierte Gewalt wird weder geduldet noch verharmlost, und jedes Verhalten in diese Richtung wird ernsthaft untersucht und geahndet.

Relevanz für KMUs und gemeinwohlorientierte Unternehmen

Warum sollten sich gerade KMUs, die sich oft auf eine kleinere, engere Belegschaft und lokale Gemeinschaften konzentrieren, für die Zero-Tolerance-Prinzipien einsetzen? Die Antwort liegt in der Verantwortung, die sie als Arbeitgebende und Teil der Gesellschaft tragen. Insbesondere für Unternehmen, die sich ethischen und sozialen Werten verschrieben haben, wird die Null-Toleranz-Politik zu einem wichtigen Faktor, um ein Arbeitsklima zu schaffen, das Mitarbeitende schützt und die eigenen Werte nach außen sichtbar macht.

  1. Attraktivität als Arbeitgeber: In einer Zeit, in der Fachkräfte verstärkt auf die ethische Ausrichtung von Unternehmen achten, können KMUs mit einer klaren Zero-Tolerance-Politik Talente anziehen, die sich ebenfalls für eine gerechte und respektvolle Arbeitswelt einsetzen.
  2. Vorbildrolle in der Gemeinschaft: Gemeinwohlorientierte KMUs haben oft eine starke Bindung zur lokalen Bevölkerung. Eine Null-Toleranz-Haltung kann ihr Ansehen weiter stärken und das Vertrauen der Kundinnen, Partnerinnen und Mitarbeitenden festigen.
  3. Schutz vor rechtlichen Konsequenzen: Eine transparente Haltung und klare Maßnahmen gegen GBV können KMUs auch vor rechtlichen Konsequenzen schützen, da sie zeigen, dass das Unternehmen aktiv gegen Missstände vorgeht und sich für die Rechte der Mitarbeitenden einsetzt.

Maßnahmen zur Umsetzung im Unternehmen

Die Einführung einer Zero-Tolerance-Politik bedeutet nicht nur, ein Dokument zu erstellen, sondern auch, diese Prinzipien im Unternehmensalltag zu verankern. Hier einige Ansätze, wie KMUs konkret vorgehen können:

  • Verhaltenskodex und Manifest: Ein kurzer, prägnanter Verhaltenskodex, der Zero-Tolerance klar formuliert, sollte Teil jedes Arbeitsvertrags sein und an prominenten Stellen sichtbar gemacht werden. Dieser Kodex macht deutlich, dass Respekt und Sicherheit für alle Mitarbeitenden oberste Priorität haben.
  • Anonyme Meldewege schaffen: Ein oft unterschätzter, aber wesentlicher Punkt ist die Schaffung sicherer und anonymer Meldewege, um Mitarbeitenden die Möglichkeit zu geben, Verstöße gegen die Null-Toleranz-Politik zu melden, ohne Repressalien befürchten zu müssen.
  • Betriebsinterne Schulungen und Sensibilisierungsprogramme: Regelmäßige Trainings zum Thema geschlechtsbasierte Gewalt und Gleichstellung fördern das Bewusstsein und schaffen eine Atmosphäre, in der problematisches Verhalten frühzeitig erkannt und adressiert wird. Externe Expert*innen oder Online-Kurse können hier gute Unterstützung bieten.
  • Verankerung in der Unternehmenskultur: Ein Unternehmen, das sich für Zero-Tolerance stark macht, sollte diesen Wert als Teil seiner Identität etablieren. Das bedeutet, dass Führungskräfte und Teamleiter*innen als Vorbilder agieren und die Null-Toleranz-Haltung durch ihr Verhalten und ihre Kommunikation aktiv unterstützen.

Das Potenzial von Zero-Tolerance als kultureller und wirtschaftlicher Vorteil

Eine Zero-Tolerance-Politik bringt nicht nur ethische, sondern auch praktische Vorteile. Studien zeigen, dass Mitarbeitende in einem Umfeld, das auf Respekt und Sicherheit basiert, produktiver und engagierter sind. Wenn Unternehmen klarstellen, dass geschlechtsbasierte Gewalt nicht geduldet wird und Opfer jederzeit Unterstützung finden, stärkt dies die Bindung zur Organisation und reduziert die Fluktuation. Außerdem zeigen Untersuchungen, dass ein sicheres und respektvolles Arbeitsklima Innovation und Kreativität fördert, was insbesondere für KMUs entscheidend sein kann, die auf die Agilität und Ideen ihrer Mitarbeitenden angewiesen sind.

Die EU als Unterstützungspartner für KMUs

Die Europäische Kommission fördert Projekte wie „GenderSAFE“ oder „UniSAFE“, die sich mit der Prävention von GBV und der Schaffung sicherer Arbeitsumfelder beschäftigen. Die EU bietet hier nicht nur finanzielle Mittel, sondern auch praxisnahe Werkzeuge und Empfehlungen, die KMUs helfen können, eine Null-Toleranz-Haltung zu implementieren. Initiativen wie die Gender Equality Plans in Horizon Europe, die auch Präventionsmaßnahmen gegen GBV umfassen, zeigen, dass die EU KMUs gezielt unterstützen will.

Gemeinsam für eine gerechte Zukunft

Die Entscheidung, eine Null-Toleranz-Haltung gegen geschlechtsbasierte Gewalt einzunehmen, verlangt von Unternehmen Mut und Entschlossenheit. Sie fordert einen Kulturwandel, der sich auf alle Ebenen des Unternehmens erstreckt. Doch für KMUs, die sich gemeinwohlorientiert und nachhaltig positionieren wollen, stellt die Zero-Tolerance-Richtlinie eine Chance dar: Sie können durch klare Werte und ein respektvolles Arbeitsklima eine Vorreiterrolle einnehmen und das Vertrauen ihrer Mitarbeitenden und Kund*innen stärken. Unternehmen, die sich zu Zero-Tolerance bekennen, werden zu Symbolen einer neuen, menschlicheren Wirtschaftswelt – einer Welt, in der Erfolg und ethische Verantwortung Hand in Hand gehen.

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